Heute war ein schöner Tag. Er begann in Taganrog im Hotel mit einem guten, üppigen Frühstücksbüffet. Durch die neue Zeitzone (zum dritten Mal hab ich an der Uhr gedreht: Sommerzeit in Polen, Ukraine und jetzt in Russland) komme ich noch etwas früher los (heute nicht, da es zwar 7 Uhr Frühstück gab, ich aber noch mit dem Föhn meine Wäsche trocknen musste - und vor allem meine völlig durchnässten Schuhe. Gegen 8.30 Uhr verließ ich das Hotel. Die Straße nach Rostow am Don war später wieder autobahnähnlich vierspurig - ich hatte Rückenwind und war sehr schnell. Manchmal war noch das Asowsche Meer in der Ferne zu sehen - und es sah besser aus als in der Ukraine: schilfbewachsene Ufer, unbebaut. Auch die Straßen - sehr gut wieder, die Autos viel besser - aber auch viel mehr Verkehr als in der Ukraine. Ab Rostow sogar zu viel Verkehr. Der Wind stand zwar immer noch gut - aber der Verkehr war wie auf dem Berliner Ring im Berufsverkehr - und ich Idiot dazwischen mit dem Fahrrad. Ca. 20 km vor Nowotscherkassk - gegen Mittag - machte ich Pause auf ein Schaschlik. Es wurde frisch gegrillt, eine Reifenmontage war nebenan, wo ich nach Kabelbindern für meine Tasche fragte. Wir kamen ins Gespräch - und am Ende nahm der Verkäufer kein Geld von mir - schenkte mir Saft und Schaschlik als Souvenir. Russische Gastfreundschaft auf herzlichste Art am ersten Tag! Sehr, sehr nett - mir aber auch peinlich. Etwa 1km weiter fand ich einen Fahrradladen - ich machte mir Sorgen wegen meiner Bremsgummis, die es gestern in Taganrog fast bis auf Null heruntergeschliffen hat - in Regen und Schlamm. So was hatte ich bisher noch nie erlebt. Aber ich hatte auch immer die Hand an der Bremse wegen der tiefen Pfützen und den Autos, die nicht auch noch auf mich Rücksicht nehmen konnten. Ich kaufte einen Satz Bremsgummis - hab jetzt wieder drei die reichen sollten - sofern es nicht noch einmal so regnet. Die Verkäufer bewunderten mein Diamantrad, staunten darüber, dass es nach zehn Jahren immer noch so gut läuft und so was aushält. Und einer, der dazukam, war aus Samarkand. Ist das nicht kurios?! Seine Augen leuchteten und ich war etwas traurig, nicht mehr Russisch zu können.
Gegen 15 Uhr hatte ich das Hotel Nowotscherkassk in der gleichnamigen Stadt gefunden (mit acht Etagen) und dort ein Zimmer ohne Frühstück für 900 Rubel bekommen. Die Registrierung bei der Polizei kostete nochmal 350. Ich hoffe, dass ich die nicht immer wieder machen muss. - Das Wasser war kalt, sodass ich mich erstmal nur wusch, mich umzog und 15.30 Uhr in die City lief. Ich war begeistert: endlich wieder eine schöne Stadt. Und endlich: Frühling!!! Schon auf der Fahrt heute: wieder grüne Felder - das erste Mal seit der langen Reise. Hier platzten die Knospen. Viele alte verzierte Häuser. Und vor allem anderen: eine wunderschöne, riesige Kathedrale - außen wie innen. Da hier erst eine Woche später Ostern gefeiert wird, wie ich heute endlich mehrfach bestätigt bekam (auch weil beim Konditor Massen anstanden) waren vielleicht auch mehrere Leute in der Kirche und es war gerade Messe. Der rauschebärtige orthodoxe Priester lief mit rasselndem, klapperndem Weihrauchgefäß durch die Kirche, es wurde gebetet, sich bekreuzigt und gesungen. Ich war länger als eine Stunde in der Kirche, genoss die Stimmung, sah mir die golden erdigen Malereien an und den riesigen Jesus, der einen aus der Kuppel anschaute. Es war so richtig schön - die Sonne kam dann auch noch heraus, als ich die Kirche verließ und ich bummelte die Straßen entlang, fand den schicken Palast kurz vor 18 Uhr, sodass es für den Eintritt zu spät war, lief weiter und landete bei McDonalds, da dort auf der Straßenseite noch die Sonne schien. Ein McMenu gönnte ich mir und während ich aß, kicherten vier junge hübsche Mädels an einem der Nachbartische. Nach einer Weile Gekicher setzten sich zwei der Hübschen zu mir und wir redeten mal Russisch, mal Englisch. Woher, wohin, was ich tue. Die Mädels waren erst fünfzehn oder sechzehn Jahre alt - aber ziemlich reif (bis auf das Gekichere). Jura oder Zahnmedizin wollten sie studieren und Geld verdienen. Bei Ihnen gibt es das Abi schon in der 11. Klasse. Eigentlich hatten die Mädels mich mehr gefragt als ich sie. Schade, dass sie dann wieder gegangen waren - es war ein sehr nettes und unbefangenes Gespräch. Ich blieb dann noch sitzen auf eine gefüllte Teigtasche und ein Milchshake, spazierte zum Hotel und suchte nach dem Internetclub (der dann aber schon 20 Uhr geschlossen hatte) und wollte dann 21 Uhr in die Bar im 8. Stock, die dann auch gerade geschlossen hatte. Faul in der Sitzbadewanne konnte ich dann auch nicht abhängen, da das Wasser immer noch kalt war - und einen Stöpsel gab's auch nicht. Aber das macht nichts - es war ein wirklich schöner Tag. Morgen werde ich dann versuchen nach Salsk zu kommen. Das sind zwar 160km - aber ich habe ja Zeit bis fast 21 Uhr. Und eventuell finde ich ja schon vorher ein Hotel. Kleine Straßen werden es morgen sein - nicht die Hauptverkehrsader vom Süden nach Moskau.