Ich bin dann noch kurz in die Nachtbar gegangen - da war aber niemand - nicht einmal Bedienung kam in die laute Disco/Szenekneipe. Am Busbahnhof saßen dann auch nur drei Leute, ich bestellte ein Bier an der Bar - und dann hat mich so ein Typ belästigt - nicht boshaft, aber eben belästigt. Da bin ich dann auch gleich wieder gegangen und war froh, dass ich noch ein Bier im Hotel hatte - und noch was zu essen.
Ich las noch etwas im Sprachführer aus DDR-Zeiten. Schon das Vorwort: man spricht sich mit Towarisch an, Gospodin nutzt man nur bei Leuten aus dem nichtsozialistischen Ausland. Die Russen würden das so wollen, blabla, Schleim und Rotz. Trotzdem, paar hilfreiche Vokabeln bleiben. Und man merkt bei so einem fast dreißig Jahre alten Buch, wie sich die Zeiten ändern (Geldautomat, SIM-Karte stehen da eben nicht, dafür "halterlose Strümpfe" und ähnliche lustige Dinge.
Gegen 13 Uhr war ich in Tscherkassi angekommen, 88km heute und 1884km gesamt. Die Stadt war in der Karte als sehenswert gekennzeichnet. Ich konnte nur nichts wirklich Sehenswertes finden. Im Buchladen kaufte ich mir eine Karte - aber auch die Buchhändlerinnen taten sich schwer, mir was Sehenswertes zu empfehlen. Am Ende ist es alles ganz sicher nur wegen des wunderschönen Dnepr-Strandes und seiner aufgestauten, enormen Weite hier. Man kann das andere Ufer kaum sehen. Ein bisschen ist es wie am Meer - Rostock Neustadt. Zwei Stunden bin ich am Strand/Ufer entlanggewandert. Es gab sogar Muscheln und Schnecken in den aufgeworfenen Dünen. Viele Leute hingen dort ab, spazierten, eine Frau war sogar schwimmen in dem kalten Wasser, einige nutzten mit dem Rennkajak eine vom Fluss abgeschnittene Bucht. Und ich sitze nun auf einem Hügel über der Stadt, auf dem früher eine legendäre Festung gestanden haben soll. Heute ist hier ein Karaoke-Club, gegenüber auf dem Hügel ein Kriegerdenkmal. Davon hatte ich heute auch schon einige auf der Fahrt gesehen. Dabei auch wieder schöne Dörfer, ein außergewöhnlich schönes Holzhaus, von denen es eigentlich so keine mehr hier gibt. Schöne Wälder, Sümpfe.
Hier - vorhin beim Stadtbummel bin ich über einen Markt gekommen, der so wie einer in Asien war. Metallwaren hier, Obst und Gemüse da - jede Ware hatte ihren eigenen Bereich - allerdings war schon fast alles für den Abend zusammengeräumt und die Ware wurde teilweise auf großen, schweren Wagen davongeschoben (wie in Asien auch). Das ist aus meiner Sicht das erste, was zeigt, dass hier doch ein kleines Stück ein anderer Kulturkreis ist - oder besser: hier hat etwas überlebt, was es in Deutschland so gar nicht mehr gibt. So richtige Märkte von Produzenten für Kunden. Nicht wie unsere Gemüsemärkte heute, wo alles aus dem gleichen Großhandel kommt.
Ein Hotel hatte ich übrigens nicht gleich gefunden, als ich in Tscherkassi ankam. Ich war erst eine Runde um die Innenstadt herumgeradelt. Dann hatte ich ein hübsches Mädel gefragt, die mir die Richtung wies (und mit dem Englisch etwas überrumpelt war). Später fragte ich zwei andere sehr hübsche, die grad Flyer verteilten. Diese empfohlen mir das Dnepr und nicht das Pocuba. Aber das schicke 4-Sterne Dnepr war voll oder wollte mich nicht - und war sicher auch über meinem Budget. Das Rozuba ist ein richtiges Russenhotel, runtergeschlumpert (aber nicht so arg wie in der ersten Nacht in der Ukraine) - vollkommen überheizt - aber für 226 i.O. - auch wenn nur ein ganz kleines Fenster zu öffnen geht.
Jetzt sitze ich im Internetshop, der heute Nachmittag eine Höhle voller stinkender, gamender Ukrainer war - es stank nicht nur nach Turnhalle, es war auch heiß. Jetzt ist es hier fast leer, ich sitze an der Tür und alles ist gut.
Gegessen hatte ich in einem Einkaufszentrum gleich neben meinem Hotel. Da war eine Tür, wo haufenweise Leute reinströmten. Das verhieß Gutes: also hab ich es versucht. Selbstbedienung zwar - aber lecker und preiswert und wohl eine Kneipe, die angesagt ist.