Und endlose Entfernungen - aber das lag vielleicht auch daran, dass ich eben nicht durch die Dörfer auf Sandwegen fuhr, sondern auf der großen, neuen Straße, die an allem vorbeiführte. Ewig weite Felder bis zum Horizont, über die der Wind fegte und Sand aufwirbelte. Ewig lange Wälder - Laubwald oder Kiefern, natürliche Flüsse, sumpfige Landschaften voller Frösche, ein toter Biber auf der Straße. Aber auch überall halbvolle "Apfelsaftflaschen" alle paar hundert Meter am Straßenrand (Dank den durchfahrenden Lasterfahrern).
Pferdegespanne gehören hier noch zum Alltag - für die Arbeit unentbehrlich. Vereinzelt auch Pferde beim Pflügen der Felder. Übrigens ist die Ukraine auf dem Land auch das Land der Ladas, der Shigulis, der Moskwitschs, der GAZ, der KAMAZ, der Saparoshes, der Zuks und wie die alten längst vergessenen Marken heißen. Eigentlich rollt hier kaum was anderes - außer durchfegenden Mercedes und Audis, VWs. Aber in den Dörfern nur die einfachen Schrottmühlen.
Immer wieder auch viel abgebranntes Unterholz und Gras. Selten, wenn ich doch mal durch Dörfer kam, sah ich bunte Holzhäuser und stillose Steinhäuser. Ursprünglich wollte ich in die Stadt Kovel reinfahren. Aber da der Wind so schön bläst und die perfekt ausgebaute Straße so frei war, entschied ich mich weiterzufahren. Mittags auf halber Strecke fand ich einen Imbiss, wo ich nett bedient wurde: Schaschlik gegrillt, Soljanka und eine Cola für um die sieben Euro. Mein neues Ziel war gereift: wenn das Wetter und die Straße so bleiben, will ich noch im März Kiew erreichen und damit ein Viertel meiner Strecke. Dies bedeutet in den nächsten beiden Tagen je reichlich 150 Kilometer und ist auch abhängig davon, wo ich halten kann für die Nacht. Hier im gemütlichen Motel aus Holz im Blockhausstil habe ich ein Zimmer für 250 mit unanständigen Lasterfahrer-Fernsehkanälen, sitze im Restaurant und genieße das Feuer im offenen Kamin neben mir, wo Paprikas und Schaschlik gegrillt werden. Eigentlich gemütlich hier, das Ambiente ist richtig gut - allerdings hat man mir alles auf einmal auf den Tisch gestellt, Borschtsch-Suppe, Pommes, Kaffee - grad das Bier kam etwas früher - 4,50 Euro ist ein guter Kurs dafür. Vor dem Abendessen bin ich noch einmal ins Stadtinnere gefahren. Das hätte ich mir sparen können, wenn ich das Geld nicht gebraucht hätte - ich hatte mein letztes für das Zimmer ausgegeben. In Sarny gab es einen Aufmarschplatz um einen häßlichen Markt oder Park oder was auch immer das war - ja - mit einem Panzer drauf. Ganz am Ende eine schöne Kirche - nichts besonderes. Hab es trotzdem aufs Foto gebannt.
Resümee: 134 km/Tag bisher, also ein Fünftel der Gesamtstrecke etwa, noch bevor mein planmäßiger Start gewesen wäre, der am ersten April spätestens hätte sein sollen. (Nachtrag: nur zu dumm: zwei Headhunter wollen mich jetzt noch zum Vorstellungsgespräch für einen neuen Job).
Also: ich könnte also auch irgendwo etwas Zeit mit Warten verbringen. Ich hatte heute auch mal kurz darüber nachgedacht, evtl. für einen Tag ein Linienschiff auf dem Dnepr zu suchen - als zulässige Alternative zum Radeln.