Tag 72 30.5.12 Beyneu






(noch im Zug auf halbem Weg:)
Habe den heutigen Tag als Ruhetag genutzt, obwohl der Zug erst 16.30 Uhr fuhr. Im Hotel habe ich mir früh einen Kaffee aufgebrüht, ging um 9 Uhr zur Post, um das Zugticket dort zu kaufen, weil es am Bahnhof keine Computer gibt. 9.45Uhr war die Beamte endlich hoffnungslos verspätet da. Ich bezahlte 2300 Tenge, obwohl auf dem Ticket nur 1700 stehen – habe das aber zu spät bemerkt. Die Herfahrt hatte 2000 gekostet. Danach bummelte ich zum Internet und durfte eine Stunde ran. Ich schrieb zum gestrigen Tag erneut, ohne in mein Notizbuch zu schauen, korrigierte die Rechtschreibung und las meine E-Mails, sah mir die Fotos an, die Beate geschickt hat: der blühende Garten, Oma, die Kinder. Und ich schrieb an meinen potentiellen Arbeitgeber und einem weiteren Vermittler (Kienbaum) schickte ich meinen Lebenslauf. Danach bummelte ich weiter zum Markt, wo ich eigentlich nach einer Packtasche suchte, am Ende aber nur 2 Bananen kaufte. Da das Frühstück ausgefallen war, ging ich schon gegen 11.30 Uhr neben dem Basar bei der niedlichen Bedienung Mittagessen: Beefsteak mit Spiegelei und eine zu spät entdeckte regionale Leckerei: Klösse, die mit gekochtem Ei gefüllt waren und außen frittiert aussahen. Danach hielt ich im Hotel Verdauungsschlaf, besuchte den Donnerbalken im Hof, in dem hunderte von Fliegen herumschwirrten, duschte bevor ich packte. Ich war absichtlich viel zu zeitig am Bahnhof. Der Zug kam nach über 1 Stunde fast pünktlich an und hielt nur 10 min. Ich eilte also zum Gepäckwagen am Ende des Zuges, hievte mein Rad hoch und sollte dort schnell einsteigen. Da war die Luft aber so heiß und stickig, dass ich es nach 30 min vorzog, durch 10 Waggons hindurch meinen Platz im Liegewagen aufzusuchen. Das meiste Gepäck ließ ich im Postwagen, nahm nur die Lenkertasche und eine blaue Ortlieb mit. Als ich durch die "billigen" Waggons kam, hoffte ich sehr, dass ich wirklich einen Platz im 4er Liegewagenabteil habe. Die Gesichter waren nicht alle sympathisch und vertrauenerweckend auf den billigen Plätzen – die Liegen waren viel zu eng beieinander – unangenehm. Das Gute war, dass ich einen richtigen Platz hatte – nur: da schlief eine Frau. Es dauerte fast eine Stunde, ehe ein Schaffner in Zivil auftauchte und mir den Platz freimachte, mir das Paket mit frischen Bezügen und Handtuch brachte. Kurz vor Sayatösch bin ich auf eine Soljanka und zwei Bier in den klimatisierten Speisewagen nebenan gegangen.
- Die Landschaft ist jetzt eh nicht mehr so beeindruckend wie am Anfang der Fahrt. In Shetpe müsste man ein Motorrad oder Pferd haben, eine gute Kamera mit Stativ und man könnte sagenhafte Fotos machen: so im Stil von Ayers Rock oder Grand Canyon. Man müsste nur die Sonnenauf- bzw. Untergänge dort erleben können – vielleicht auch den ersten Schnee.
Wie es aussieht, hat es Michael nicht bis Sayatösch geschafft – oder er ist entschlossen genug, die Holperpiste weiterzufahren.
Ich werde 22.42 Uhr ankommen – nach Astana-Zeit 23.42 Uhr. Noch gute Zeit für ein Hotel und einen guten Schlaf. Morgen fahre ich dann bis zur Grenze. 23 Uhr sollte 0 Uhr in Usbekistan sein, so dass ich dort ohne viel Verzögerung am 1.6. einreisen kann.
Nachtrag: bei der Suche nach Fossilien sah ich mehrere Stabheuschrecken, die leere Schale einer Babyschildkröte. Und bei der Feier des Karschau Ata Clans gab es nachts nicht nur dicke Mistkäfer in den Jurten sondern auch Gottesanbeterinnen, die vom Licht angezogen waren.

Ich weiss nicht, ob ich so richtig warm werden kann mit Kasachstan und den Kasachen. Mich stören die meist rundlichen Frauen, die meist nicht mehr wirklich fraulich wirken, die oft verbiesterten Gesichter (wie in Chemnitz). Und mich stören die Goldzähne oder oft ganz fehlende Zähne. Prügelt man sich tatsächlich so oft und schnell? Schneidezähne sind doch eigentlich viel robuster als Eckzähne, oder? Naja – ich freue mich auf Usbekistan, dem Ziel meiner Reise… Noch 1000- 1500km vielleicht mit dem Rad.
Jetzt sitzen kaum noch Leute im Speisewagen – vorhin war es rappelvoll, dass ich kaum einen Platz fand.