Tag 77 4.6.12 Nukus, Pause


Ca. 40km vor Nukus und 20 km vor Khojali machte ich eine kurze Pause in einem Buswartehaeuschen. Ich hatte etwas getrunken, mit einem Local gesprochen, der grad auf dem Weg vom Basar war, wo er Rinder gekauft hatte, die am Straßenrand auf seinem Traktoranhänger standen. Gerade als ich weiterfahren wollte, sah ich Michael aus München mit seinen orangefarbenen Globetrotterortliebtaschen kommen. Ich war gespannt zu hören, wie er die Strecke gemeistert hat, da die Quälerei in den letzten 3 Tagen wirklich groß war – und er auch schon da war – so kurz hinter mir. Aber Michael hatte kurz vor Jasliq aufgegeben und ist per Anhalter weitergefahren bis Kungrad. Geruht hatte er wie ich mit dem Kopf in einem der wenigen Büsche – und auch ihm war das Wasser ausgegangen. Aber er schafft das nur mit Wasser – ohne Cola oder Fanta oder Elektrolyte. Das kann ich mir kaum vorstellen – unmöglich für mich. Aber er kocht sich abends immer auch sein Essen...
Wir sind dann zusammen weiter bis Khojali gefahren, haben im Basar eine Suppe gegessen. Die Typen am Nachbartisch hatte sich mit uns fotografiert und uns wenig später  Abzüge mitgebracht. Sonst waren sie aber recht aufdringlich und lästig und hatten dem Wodka schon ordentlich zugesprochen. Wir fuhren dann weiter bis zum Amurdarya, überquerten die Brücke bzw. Staumauer und machten dann an einem kleinen See eine Pause, wo Michael badete und sein T-Shirt wusch. Von dort waren es dann noch einige km bis Nukus- Zentrum und ich war dann doch wieder sehr platt, als ich im Hotel Nukus für 15 US$ einchecken konnte. Michael hatte sich vorher verabschiedet, um sich außerhalb einen Schlafplatz zu suchen. Ich trug mein Gepäck aufs Zimmer, duschte, rasierte mich und suchte dann was zum Abendbrot. Am Ende war das teure Restaurant mit 28000 Sum für 3 kleine Bier und so was wie Chilli con Carne ohne Chilli mit rund 10US$ garnicht so teuer. Ich hätte auch nicht weiter laufen können und wollen. Ich war echt ziemlich fertig nach 3 harten Tagen, an denen ich am frühen Morgen los bin und ca. 430km gefahren bin.

Ich bin etwas frustriert: habe heute früh meine Kamera zur Reparatur gebracht. Sie ging so schlecht einzuschalten, dass es mir das Risiko wert war. Der Bastler zerlegte die Kamera vor meinen Augen in hundert Einzelteile, fand die hakende Stelle – aber nicht die Ursache.3-4x hat er das Ding auf- und zugeschraubt. Ich war zwischenzeitlich auf dem Basar, ein Schaschlik zu Mittag essen. Dann im Savitsky Museum, das tatsächlich sehr beeindruckende avantgardistische Kunst aus dem letzten Jahrhundert zeigt. Allerdings ungeschickt gemischt mit gegenwärtiger Kunst und solcher aus den 70er und 80er Jahren. Besonders gut gefiel mir ein Bild von P.P. Ben Kov: „By the Khanz (Pool)“, das eine wunderbare helle Herbststimmung wiedergibt. Toll waren auch die Gemälde von A.N. Volkov (The Arabata cart 1926, Caravan 1926, Wifes Portrait 1936 und ein Selbstportrait). U. T. Tansiqbaev gefiel mir noch, auch mit einer Karawane von 1929, dem Portrait eines kasachen von 1934, einem Erntebild von 1935 und ein Bild mit dem Titel Intensive Hitze, sonniger Tag von 1929. Aber noch mehr: A.V. Nikolaev: Sufi (1923), A boy in a fur cap (1924), V.I. Ufimsev (Drink to the dregs – im Stil von Otto Dix oder George Grosz von 1929) Beeindruckend – aber nur halb erhalten und viel zu hoch gehängt war ein Bild von M.I. Kurzin: Capital von 1939. G.N. Nikitsch hatte ein „Navoi (?)“, das mir gefiel und schließlich eines der Highlights der Ausstellung von V.A. Lisenko: „Der Bulle“ es gab auch schöne Keramiken mit dem Thema Mutter und Kind und ein Baby im Bad, wo Bad, Mutter und Baby zu einer Form verschmelzen. Alles außergewöhnliche Stücke. Mehr hatte ich mir dann nicht mehr aufschreiben wollen. Alles wahrscheinlich Namen, die man nicht unbedingt in deutschen Lexika finden wird.

Ich muss jetzt nachdenken, was ich tue, wenn meine Kamera gar nicht mehr geht. Eine neue kaufen war die eigentliche Idee. Aber ich habe nicht so viele Dollars, um mir eine Kamera leisten zu können. Die Traveller Cheques habe ich nicht in die Zollerklärung eingetragen und kann sie deshalb eventuell nicht einlösen. Und außerdem ist der offizielle Wechselkurs bei Zahlung mit Kreditkarte nur ein Drittel vom Kurs auf der Straße (2800:1US$). Der Euro liegt nur gering darüber – jedenfalls lange nicht beim Faktor 1,3.

Mich hat auch frustriert, dass die Internetläden zu Spielhöllen für Minderjährige verkommen sind. Internet geht nicht. Aber das Schöne: ich sitze in einem Café an der Straße, vor dem Schaschlik gegrillt wird, ich höre die Mauersegler, sehe das Abendrot am Himmel und kann mich recht gut von der Anstrengung erholen...  Nukus ist hier in der Gegend ganz nett: nur ein- bis zweistöckig bebaut, einige Kneipen, Eisläden und kleinen Lebensmittelläden. Ein Friseur, bei dem ich heute morgen war für 2000 Sum. Alles ist grün, es gibt Bäume, kleine Kanäle am Straßenrand, in denen das Wasser steht bzw. langsam fließt. Andererseits ist Nukus nicht gerade fotogen. Auf dem Basar hätte ich gern ein paar Fotos gemacht – u.a. von einer Frau, die vielleicht etwas jünger war als ich – aber sehr traditionell gekleidet war und irgendwie was besonderes hatte. Eben dafür ein Foto: ich kann's nicht beschreiben. Auch die Gemälde hätte ich gern auch zur Erinnerung fotografiert – aber nicht so wichtig. Übrigens gab es im Museum auch eine Führung, das Personal sprach Englisch, es gab Klimaanlagen und eine britische Reisegruppe war auch dort. Es gab einige interessante internationale Presseberichte über dieses bemerkenswerte Museum, das nur einen Bruchteil seiner immensen Sammlung zeigt. Daneben gibt es auch eine kleine Ausstellung mit traditioneller Kleidung, traditionellem Schmuck, einer Jurte, unpassende europäische und iranische sowie buddhistische Skulpturen, die so gar nicht zur Sammlung passen. Auch die Heimatmuseumsecke mit den Fundstücken aus der Frühzeit und der jüngeren Vergangenheit passte nicht.

Von sechs bis sieben Uhr am Abend hatte ich dem Elektroniker wieder zugeschaut in der Hoffnung, meine Kamera wenigstens wieder so zurückzubekommen, wie ich sie ihm gegeben hatte. Sein Ehrgeiz ließ ihn das Objektiv immer wieder auf und zuschrauben – und am Schluss blieb das Display dunkel. Damit konnte ich nicht probieren, ob klopfen noch hilft. Außerdem klang der Motor so, als ob ein Zahnrad fehlte. Da drehte etwas zu schnell  - daher der Frust vorhin beim Schreiben. Aber ich bin immer noch abgespannt von meinem Trip – der Rücken tat mir weh in der Ausstellung, sodass ich froh war, vor einigen Bildern sitzen zu können – und Schlaf brauche ich auch noch. Und ich hätte gern gewusst, woher ich seit zwei Tagen den Durchfall habe. Habe das heute mit Immodium bekämpft – esse aber dummerweise noch weiter als wäre nix. Mir geht es ja sonst auch gut...