Ich hatte noch gut gefrühstückt im Islambek-Hotel, nachdem ich gepackt hatte und bin dann kurz nach halb acht Uhr losgefahren Richtung Bostan/Ayaz Qala. Nach zwanzig Kilometern fiel mir auf, dass mein kasachischer Mantel nicht auf dem Rad verpackt war - und im Zimmer hatte ich ihn auch nicht vergessen. Ich suchte später dann noch ein Foto raus und sah, dass ich den Mantel in Chiwa noch hatte. Es ist ein schönes Andenken, deswegen hätte ich ihn gern. Ich denke, ich hatte die Tüte beim Einchecken an der Rezeption liegen lassen. Und ich habe das Gefühl, dass Liegengelassenes hier als aufgegebenes Eigentum betrachtet wird. Man würde, glaube ich, nicht stehlen - aber um etwas zurückzubekommen, muss man wohl fragen.... - Ich werde es sehen.
Ich hatte dann in Biruni nach etwa fünfunddreißig Kilometern Pause gemacht, um einen Saft zu trinken. Ich kam mit dem Chef der Kneipe ins Gespräch und er zeigte mir seine beiden Kellerrestaurants unter dem Schnellrestaurant. Das eine urig gemütlich usbekisch mit vielen Schnitzereien, das andere russisch wie eine Sauna. Am Ende übernahm er meine Rechnung für den Saft und ich radelte weiter Richtung Bostan. Es war dann doch wieder ganz schön heiß geworden. Gegen Mittag kam ich an einem großen Torbogen an, auf dem die fünfzig Festungen Ellis Qala angeschrieben waren. Daneben war ein Gebäude - eigentlich keine Tschaichana. Aber der Mann dort war froh, dass jemand vorbeikam und sagte, es sei eine solche. Er lud mich zu einem aus Holz oder Wurzeln bereiteten Tee ein und dann noch zu einem grünen Tee, bevor ich weiterradelte. Vor langer Weile hatte er mit einem Spatz gespielt, der einen Bindfaden um den Fuß hatte. Ich blieb also nicht ewig dort und radelte weiter. Gegen vier oder fünf Uhr nachmittags kam ich bei den drei Ayaz Qala Festungen an. Ich bestieg erst die Nr. 2, die tiefer liegt und von oben ein schönes Fotomotiv gab, dann die Nr. 1. Beide Festungen sind aus der Zeit zu Beginn der Zeitrechnung - nur aus Lehm gebaut und wohl nur erhalten, weil es hier so wenig regnet. War schon nett anzusehen und wenn man über das Alter der Anlagen nachdenkt, wird es erst richtig interessant. Was zu dieser Zeit wohl alles dort losgewesen sein wird? Welcher Religion folgte man damals dort? Ich musste auch viel über den "Kunstraub" nachdenken, der unsere europäischen Museen füllt. Das Ischtartor in Berlin ist toll und beeindruckend. Aber man hat da unten die Mauern der schützendem Fliesen beraubt, dass da im Irak oder wo das stand, wohl auch nur noch verwaschene Lehmmauern übrig sind - wenn überhaupt.
Man konnte bei den Ayaz Qala auch noch ein paar Mauern von Nutzgebäuden sehen, die sicher bei späteren Grabungen freigelegt wurden. Einem Massentourismus würden die Anlagen aus Lehm nicht standhalten. Bei jedem Tritt macht man etwas von dem verbliebenen Rest kaputt.
Aus Neugier lief ich dann noch zum Jurt Camp auf der anderen Straßenseite - bzw. am Ende der asphaltierten Straße. 25US$ war mir selbst als Spezialpreis zu teuer - ich hatte ja mein eigenes Zelt mit. Da man aber bereit war, mir Abendbrot und Frühstück zu bieten, war ich einverstanden. Man baute mir ein Bett in der Jurte auf, in der die Betreiberfamilie und ihre Angestellten mit mir gegessen hatten. Die Chefin ist dreiundvierzig Jahre alt und ziemlich geschäftig, nett - aber nicht herzlich. Ich bummelte nach dem Abendbrot genau zum Sonnenuntergang Richtung See - aber die zwei Kilometer waren mir dann doch zu weit und ich merkte, dass ich nicht mehr ganz so fit war an dem Abend. Bin dann so etwa eine dreiviertel Stunde gelaufen und habe mich dann oben bei den Jurten auf ein Podest gelegt, auf dem man schön in den Himmel blicken konnte. Als die Dämmerung dann ganz der Nacht gewichen war, gab es einen sagenhaften Sternenhimmel. Wohl durch den nahegelegenen See gab es auch Mücken, die mich ganz schön quälten - aber es hielt sich in Grenzen. Fledermäuse flatterten umher und es war ganz still - bis auf ein paar wenige Vogelrufe in der Dunkelheit. Schon beim Spazieren zum See war es so still gewesen. Es wurde wieder lauter, als die Chefin mit dem Auto zurückkam. Gegen elf Uhr war ich ins Bett gegangen und hab direkt neben meinem Rad geschlafen. Heute hatte es ein erstes größeres Problem: beim Treten klackte die linke Pedale bei jeder Umdrehung, manchmal drehte sie sich dann nicht weiter.