Tag 51 9.5.12 Oppornyy 105km (4721km)




Der Tag ist anstrengend - aber dennoch schön. Ich bin acht Uhr nach einem simplen Spiegelei zum Frühstück losgekommen und trat wieder achtzig Kilometer seither gegen den Wind. Gegen halb zwei Uhr erreichte ich Maykömgen. Dort musste ich bis drei Uhr warten, bis die Geschäfte wieder öffnen. Die Leute am Bahnhof baten mich in ihre Hütte und wir unterhielten uns anderthalb Stunden ziemlich angeregt und ich zeigte meine Fotos in der Kamera - und es war wieder eine der sehr angenehmen und sehr herzlichen Begegnungen dieser Reise. Am Ende baten sie mich im Laden nur auf Deutsch zu bestellen - sie wollten sich einen Spaß mit der Ehefrau machen. Ich tat ihnen den Gefallen und schätzte die Ehefrau dann auf nur 25, als man mich unhöflicherweise bat, eine realistische Schätzung abzugeben. Dort hatte ich erst fünfzig Kilometer hinter mir. Nach 60 und 70 Kilometern belohnte ich mich mit Coca Cola und jetzt bei 85 Kilometern fand ich ein шайхана, wo es Tee und Essen gab. Angebratene Kartoffeln mit gebratenem Hammelfleisch, dazu einen Liter Kirschsaft und Tee. Ich habe an den beiden Tagen gemerkt, dass Wasser allein nicht reicht. Ich dehydriere so. Wasser stillt meinen Durst nicht mehr, die Zähne bilden Belag, mein Mund trocknet aus und ich fühle mich schwach. Cola ist da echt toll. Morgen wird dahingehend hart, dass meine Karte auf 120km wieder keine einzige Ortschaft verzeichnet. Da muss ich nochmal die Leute fragen, bevor ich morgen losfahre.

Sonst gab es heute tolle Echsen ganz aus der Nähe zu betrachten, tote Schlangen auf der Straße, Kamele, Pferde, Kühe - und ein dringendes Bedürfnis, für das ich in der leeren Ebene genau dann rettende Büsche fand, wo es vorher kilometerweit NICHTS gegeben hätte. Gut für mein Schamgefühl. Irgendein Trost findet sich also immer.
Heute hatten auch wieder mehrere Autos gehalten, deren Fahrer kurz mit mir sprachen - und mein verschwitztes Portrait schlummert in vielen Mobiltelefonen seither.

- Jetzt endlich bin ich in Oppornyy angekommen. Verschiedene Leute verwiesen mich an verschiedene Hotels - aber im Gegensatz zu Qulsary, wo es drei Hotels gab (2km vorher, ganz am Ende und das Shanghai) gibt es hier wahrscheinlich kein Hotel. Das, wo ich war, ist ein Betriebshotel der Казгаз. Dort durfte ich nicht übernachten - aber die Chefin, die gerade Feierabend hatte, zeigte mir eine private Zimmervermietung. Die Bude ist ausgesprochen spartanisch. In meinem Zimmer stehen vier bezogene Betten - ich gehe davon aus, dass sie frisch bezogen sind. Fließendes Wasser gibt es nicht. Es hat einen solchen Wasserspender, der nur läuft, wenn man nach oben drückt. Im Bottich darüber muss man nachfüllen. Fürs wichtigste reicht das und ist für 100Tenge immer noch besser als Camping. Habe sogar einen Fernseher und einen Frühstücksraum mit Gasherd.
Habe mir im Supermarkt je einen Liter Granatapfelsaft und  Johannisbeersaft, drei Liter Wasser, zwei Flaschen Bier, ein Glas Pfirsische, einen halben Liter Ayran, löslichen Kaffee und Limonadenpulver gekauft und zwei Fladenbrote (Brot heißt in Kasachstan wie in Indien "Naan") Trotz Abendbrot vor einer Stunde fühle ich mich so ausgepowert und hoffe auf weniger oder besseren Wind morgen. Ab dann wird es noch haariger: wenigstens hundert der 600 Kilometer bis Aktau sollen nicht asphaltiert sein. Ich muss aber am sechzehnten abends in Aktau sein, falls man mir für den siebzehnten den Flug nach Istanbul bucht. Ein Tag Puffer ist verdammt eng bei dem derzeitigen Wind und meiner aktuellen Kondition!
Bier ist jetzt ein unglaublicher Genuss. Es gibt mir genau das, was ich jetzt glaube zu brauchen. Mineralien, Kalorien. Cola übrigens auch. Aber das war nicht gut gestern so spät am Abend. Morgen früh gibt es Kaffee und Fladenbrot und dann geht es los. Beyneu liegt dann nur noch einen Tag von Usbekistan entfernt. Dort beginnt mein beschwerlicher Abstecher. Ich sollte meine Elektrolyte, die eigentlich bei Durchfall anzuwenden sind, ausgraben. Ich hatte heute zehn Liter Flüssigkeit gehabt und nur vier Liter am Abend übrig gehabt. Ohne die Cola und den Kirschsaft wäre ich "verdurstet". Wie wichtig doch Mineralien und Salze sind - insbesondere wenn man schwitzt. Es ist ein ganz unangenehmes Gefühl, zu trinken und dabei das Gefühl zu haben, dass der Durst nicht aufhört!!! Wieder einmal eine Grenzerfahrung in meinem Leben, die noch unkritisch blieb - mir aber für die nächsten Tage eine Warnung und Lehre ist.