Tag 44 2.5.12 195km (4210km)

... irgendwo in der kasachischen Steppe ca. 10 km nach Zaburune ...
Ich lief gestern noch die Wolgapassage entlang zurück zum Hotel und endete erstmal auf der Leninstraße, wo eine große Bühne stand und noch bis gegen 21.30 Uhr Tanz und Russenschlager mit viel Russenpropaganda zur Feier des ersten Mai dargeboten wurden. Ohne Reden und Kulturfunktionäre geht da nichts.
Danach packte ich meinen Kram im Hotel und früh gab es wieder Porridge zum Frühstück, bevor es gegen 8 Uhr losging.
Das erste Stück der Fahrt war angenehm, der Wind kam schon leicht schräg von hinten über die Schulter. Es ging über etliche Wolgaarme hinweg bis ich die Grenzposten 10km vor der eigentlichen Grenze erreichte. Die in der Karte eingezeichnete Fähre bei Krasno Jar war durch eine Pontonbrücke ersetzt, was mir viel Zeit sparte. Vor der Grenze hatte ich mich noch einmal mit Keksen und Getränken eingedeckt, um noch Reserven in Kasachstan zu haben. An der Grenze ging dann wieder alles schnell und reibungslos - sogar ohne Zollkontrolle, keine neugierigen Fragen - ganz sachlich, kein Erstaunen. Man wünschte mir eine gute Reise und blätterte neugierig durch meinen Reisepass, der kaum noch eine freie Seite hat. Das war es - ebenso die Einreise in Kasachstan.
In Kasachstan änderte sich auf einmal ALLES: die ersten Lehmhäuser mit Flachdach waren zu sehen, die Autos wurden wieder schlechter, das erste Kamel war bald zu sehen, eine erste und einzige Jurte war am Rand der Straße zu sehen. Und je weiter ich in Kasachstan hineinfuhr, umso stürmischer wurde der Wind: Orkanstärke fast - oft zum Sandsturm entwickelt. Glücklicherweise kam der Sturm die meiste Zeit über die linke Schulter  von der Seite - aber eben doch ein wenig von hinten, was mir guten Vorschub gab. Etliche Male allerdings pustete mich der Wind vom Asphalt, ohne dass ich in der Lage war, gegenzulenken. Vorbeifahrende Laster entwickelten einen sagenhaften Sog beim Überholen, der nicht ungefährlich war. Aber es wurde respektvoll mit großem Abstand überholt.


Erst die letzten 2 Stunden kam der Wind dann schräg von vorn. In Zaburune änderte sich auf der Karte die Richtung der Straße. Da hatte ich mir schon gedacht, dass ich den nicht ausgeschilderten Ort verpasst hatte. Es gab auch keine Asphaltstraße dorthin, wenn ich mich recht erinnere - und es war niemand in der Nähe, den man hätte fragen können. Aber egal - da habe ich morgen weniger Kilometer zurückzulegen. Hoffentlich kommt der Sturm nicht zurück. Ich habe mein Zelt neben einem Friedhof oder ein paar großen Grabmälern aufgebaut, wo alle Kasachen an der Hauptstraße anhalten und Münzen spenden. Die Grabmäler haben große Öffungen, durch die der Wind heult, die Drehkreuze am Eingang drehten sich schnell im Wind, als die Sonne unterging. Schon vorher - gleich zu Beginn der Fahrt heute hatte ich so viele Friedhöfe gesehen, die so anders aussehen als alle, die ich bisher gesehen hatte. Drei Kasachen hielten am ersten an und fragten mich nach Woher und Wohin - wie so oft bisher. Die zwei, die mit mir redeten hatten goldene Schneidezähne.


Ich hatte mir den Platz auf einer Sandpiste für mein Zelt ausgesucht, weil er der einzige war, der weit genug von den Gräbern weg war, um den Respekt zu wahren und weil es der windstillste Platz war. Dummerweise kam dann doch noch ein Lada und der Fahrer schien sehr verärgert. Ich entschuldigte mich, sagte, dass ich Deutscher bin und wegen des Windes hier zelte. "Dawei!" ich entschuldigte mich noch 2-3 Mal, dann war alles gut und der Lada fuhr über die sandige Böschung weiter. War das peinlich! Ich lag ja schon halbnackt im Schlafsack, schlüpfte dann wieder in meine Hosen und lief in Socken raus. Jetzt hoffe ich, dass niemand mehr hier lang kommt. Es ist ja auch schon 21.15 Uhr durch die neue Zeitzone. Zum Abendbrot gab's Wiener und Kekse - kein Bier heute. Mein Bierkonsum ist ohnehin zu hoch: 4 Bier gestern - auch wenn ich von Bundweite 34 auf 31 geschrumpft bin, ist das nicht so prickelnd (wenn ich meine in Kiew gekaufte Hose als Maßstab nehmen kann)