Tag 46 4.5.12 Atyrau 0km (4372km)


Ich habe Asien also gestern aus eigener Kraft erreicht und den Ural überquert! ... allerdings nur für das Abendbrot. Zum Schlafen bin ich zurück nach Europa ins Hotel "Kaspi", das etwa 45 Euro je Nacht mit Frühstück kostet.
Es ist eine bedeutende Zwischenstation für mich erreicht - aber die Stadt selbst ist nicht schön. Sie ist reich geworden durch Öl und Gas. Im Renaissancehotel kostet das billigste Zimmer 430$ - und das Hotel ist riesig. Mir war schon klar, dass es dort teuer ist - aber nicht dass es so exorbitant teuer ist.
Die Fahrt hierher war kurz nach dem Mittagessen viel schwerer geworden, als sich die Orientierung der Straße von Nordost auf Südwest änderte. Ab dort kämpfte ich dann doch wieder mit dem Seitenwind, der Kraft kostete und mein bisheriges Durchschnittstempo von rund 20km/h wieder deutlich reduzierte. Die Strecke war auch nicht mehr so schön, da die Seen, Salzseen und vertrockneten Tümpel fehlten und damit die Weiden nicht mehr so üppig waren.Die Straße selbst blieb schlecht bis hierher - für mich mit nur zwei Rädern gut befahrbar  - in einer tiefen Längsrinne, die von schweren Lastern in den Asphalt gedrückt worden war. Dort war mir auch der erste Blödmann begegnet - ein Mercedes R-Klasse-Fahrer, der mich überholte, anhielt und mich wie ein Deutscher anblubberte, ganz rechts zu fahren. Dass der Asphalt dort holperig war und Splitt lag, hätte das Fahren dort umso schwerer gemacht. Ich ignorierte den Blödmann mit seinen deutschen Manieren, ärgerte mich noch lange darüber. Natürlich fuhr ich rechts rüber, wenn sich auf meiner Höhe 2 Autos begegneten oder mir auf der Überholspur zwei entgegenkamen (dafür der Rückspiegel).
Als ich mich durch die Industriegebiete der Innenstadt von Atyrau annäherte, bekam ich einen Anruf von Catenon - meinen Headhuntern. Möglicherweise fliege ich von hier zu einem Vorstellungsgespräch. Die Zeit dazu und das nötige Visum zur erneuten Einreise habe ich ja. Das heißt, dass ich heute recherchieren muss - lange will ich hier nicht bleiben - allerhöchstens 5 Tage. Gestern Abend war es wieder deutlich abgekühlt. An der Promenade am Ural entlang begegnete ich vielen Spaziergängern und Skatern. Im Café Asia am Fluss gab es wieder Bier und Schaschlik. Zurück zum Hotel - da war es schon 22.40 Uhr und ich hatte noch 30000Tenge am Automaten abgehoben, was so rund 150 Euro sind. - Also alles klappte bis hierher mit der Mastercard am Automaten. Nur an den Grenzen gab es keine ATMs. Und Euros oder Dollars hätten da auch nichts geholfen. Gut dass ich noch viele Rubel übrig hatte und die so loswerden konnte.

Ich lag bis 4 Uhr wach im Bett, hatte lange versucht einzuschlafen - aber etliche Mücken summten mir um die Ohren. Ich hatte mich zu spät dafür entschieden, aufzustehen und sie an der Wand plattzumachen - und die Aircon einzuschalten, durch die sie wahrscheinlich von draußen hereinkamen. Ich hatte lange über die Freundlichkeit und das Lächeln der Menschen nachgedacht. Jetzt, wo ich in Asien, dem Kontinent des Lächelns angekommen bin... Gut - es ist nicht Südostasien, es ist nicht Myanmar mit dem unbefangensten Lächeln überhaupt. Aber die Menschen sind nett hier, halten an, steigen aus ihren Autos oder von ihren Kamelen, um mit mir zu reden, sie grüßen mich - auch ein "Aleikum Salam" kommt mir über die Lippen, wo ich mir in Bayern nie ein Grüß Gott abringen kann. Herzliche Handreichungen mit beiden Händen, wie schon in Astrachan in der Moschee... Es ist schön, netten, freundlichen Menschen zu begegnen. Die Russen waren schon sehr angenehme Leute, ich hatte mich da sooo wohl gefühlt - es war toll dort und unbedingt empfehlenswert. Natürlich sind die Russen nicht die großen Lächler vorm Herrn - es gab auch viele hübsche Mädels  - mit hohen Absätzen und kurzen Röcken und eingefrorenen Gesichtern fehlte denen doch das wichtigste zum Schön-Sein: das Lächeln. Und zu Hause? Da fehlt das Lächeln fast ganz und umso wertvoller und schöner, angenehmer macht es die wenigen, die es haben. (Das ist es auch, was mir an Chemnitz so gar nicht gefällt: dass die Leute so unfreundlich erscheinen. Natürlich ist die Umwelt immer auch ein Spiegel, eine Reaktion auf einen Selbst. Hier zeige ich, dass ich an Land und Leuten interessiert bin einfach schon durch meine Langsamkeit, meine Reise durch die Welt und nicht über die Welt - erkennbar am bepackten Rad. In Burma bin ich auch so äußerlich zweifellos als Tourist erkennbar. In Thailand - und das macht den Unterschied - bin ich nicht unbedingt Freund und Reisender. Da gibt es so viele, die an allem anderen interessiert sind als Land, Kultur, Religion. Strand, Sonne, Cocktails in der Bar, Party, Sex machen einen zum Kunden. Und das Lächeln ist ein anderes. Es ist nicht mehr die direkte wortlose Kommunikation von Herz zu Herz oder von Seele zu Seele. Auch im modernen China nicht, wo die Arbeiter in den Fabriken das Lächeln verlernt haben und der Drang zum Konsum, zu den westlichen Produkten, Marken und Labels alles Lebendige absterben lässt. Tempel, Grabstätten, Kirchen - das alles habe ich dort nicht gesehen - und ich bin viel und weit durch Shenzhen, Suzhou, Shanghai gelaufen an den wenigen freien Abenden, die ich dort hatte. Die modernen Tempel dort sind die riesigen Shopping-Malls, die Einkaufszentren, die von unseren in Europa nicht zu unterscheiden sind. Hier in Atyrau gibt es noch das gleiche Bummeln der Jugendlichen durch die abendliche Stadt - das Sich-Suchen und das Sich-Finden. Das finde ich toll. Wenn es davon nur mehr gäbe - auch in Mittweida, wo Tausende Studenten nicht zu sehen sind.