Tag 95 22.6.12 Sharisabz, Pause

Gestern hatte ich dann doch nicht mehr in mein Tagebuch geschrieben, weil ich am Abend noch im B&B bei Sharisabz Tours&Travel lange mit dem Hausherrn gesprochen hatte und dann sehr müde war.

Nach dem späten Frühstück gestern in der grossen Tchaichana, die einem Festsaal ähnelte - aber nur einen huckeligen rohen Betonfußboden hatte - begann die Passage mit den größeren Anstiegen. Ich war danach nicht sonderlich weit gekommen, da es im Schatten am Straßenrand eine Quelle gab und nebenan frisches Obst verkauft wurde. Ich stillte Durst und Appetit mit 1/2 Kilo Kirschen. Es war angenehm, dort im kühlen Schatten zu sitzen und der Familie beim Verkaufen ihrer Früchte zuzuschauen. Ich fuhr dann wieder 1/2h, kam wieder zu einer schattigen Quelle und kühlte ich dort kurz ab - obwohl es garnicht so heiß war wie an anderen Tagen in Usbekistan. Ein jugendlicher Verkäufer schenkte mir ein kleines Tütchen mit kandierten Nüssen. Dann war es nicht mehr weit bis zum Pass. Ich glaube, ich war gegen 11Uhr oben angekommen, und es war tatsächlich weniger anstrengend, die 1700m Höhe zu erreichen. Das Serafshangebirge sah am Morgen aus der Ferne schroffer, steiler und karger aus, als es sich später erwies. Es war angenehm grün und eine willkommene Abwechslung in der Landschaft, die in der letzten Zeit eher eintönig war und heiss - oder gar langweilige Steppe bzw. Wüste. Am Pass machte ich noch einmal eine kurze Pause, genoss die kühle Luft und die Aussicht und fuhr dann auf der Südseite bergab. Über einem kleinen Sturzbach (oder Wasserfall) war eine Tschaichana errichtet, von der es eine schöne Aussicht gab. Ich setzte mich auf eines der Tagesbetten im erste Stock - wollte eigentlich nur Tee, Fanta und eine Kleinigkeit essen. Man tischte mir dann aber Fleisch, Salat, Brot, Melone auf - breitete ein weißes Tischtuch über den niedrigen Tisch und servierte die Speisen auf einem Service das zusammengehörte. Das war ungewohnt und sah teuer aus. Die Lage war schön - und ich nahm es in Kauf, etwas mehr zu bezahlen. Nach dem Essen schlief ich dort gut eine Stunde in der kühlen Luft - war dann aber innerlich sehr verärgert, nachdem es dort nicht nur als teuer sondern als superteuer war. Ich bezahlte 45000Sum - soviel für ein Mittagessen wie seit 2 Monaten nicht mehr: 20US$ bzw ca 15 Euro. Aber andererseits war es ja auch wirklich recht schön und stimmig dort über dem rauschenden Bach. Nur schade, dass ich dann doch so abgezockt worden bin. Selbst die Hälfte des Preises wäre mehr als angemessen gewesen.
Bergab ging es dann flott und schnell war auch wieder die Hitze zu spüren. Als ich Sharisabz erreichte, fand ich das Orient Star Hotel geschlossen vor. Das einzige Hotel 2,5km entfernt war so ein steriler Nobelbau und die Nacht für 45US$ mit gelangweiltem und unfreundlichen lag weit über meinem Tagesbudget, das durch meine Bargeldreserven jetzt auf etwa 50US$ limitiert ist. Ich war darauf gefasst, die Nacht irgendwie und irgendwo herumzubringen - hatte aber keinen Schlafsack mit. Ich fragte dann im Café Aquarium und wurde dann an Sharisabz Tours&Travel verwiesen, wo doch geöffnet war. Ich hatte es für ein geschlossenes Reisebüro gehalten. Eine der jüngeren Töchter nahm mich in Empfang und dann kümmerte sich der nette Großvater um mich. In Ziphosen mit abgetragenem Jacket, buschigen weißen Augenbrauen schlurfte er über den schönen Innenhof - mit einem sehr freundlichen Gesicht. Er bewirtete mich erst einmal mit Tee, Brot, Mandeln (oder Aprikosenkernen?), Walnüssen, Honig, Kirschmarmelade und Kandiszucker. Da sass ich erst einmal eine Weile und als ich mich genug entspannt hatte, zeigte er mir Zimmer und Dusche, die ich auch gleich nutzte. Die Dusche ist groß und geräumig und fast schon eine kleine Sauna mit Sitzbänken. Das Zimmer hat Einbauschränke, die an das Interieur in Akhbars Haus erinnerten  - allerdings mit moderneren Formen als früher Ich fühle mich wohl dort in dem kühlen, schattigen Innenhof. Gegen 17 Uhr bummelte ich zu den Ruinen von Timurs Palast, sah im Hintergrund im Osten die schneebedeckten Berge des Hissargebirges, die mich etwas sehnsüchtig machten - und ich wagte mich auf das alte rostige Riesenrad, um die Berge besser sehen zu können. Für 2000Sum fuhr ich eine Runde zum Touristenpreis. Ich bummelte weiter zur Kok Gumbaz Moschee mit ihren blauen Kuppeln. Dort kam ich mit 3 Männern ins Gespräch, dann an einem Open-Air-Zirkus vorbei, wo ein Athlet mit zwei schweren Gewichten regelrecht jonglierte - es waren Seile gespannt für Seiltänzer und jede Menge Leute sass im Rechteck um die improvisierte Manage. Ich sah mir kurz die Moschee an mit dem ruhigen Innenhof in dem es ein kleines freistehendes Minarett gibt. Das Gumbazi Syidan Mausoleum war innen prächtig bemalt und mit der typischen aufwändigen Deckengestaltung: der Übergang vom Quadrat über ein Achteck zur runden Kuppel geschickt gelöst. Von dort lief ich ostwärts zum Khazrati-Imam-Komplex, von wo sich durch den blumenbestandenen kleinen Park schöne Blicke auf die Kok Gumbaz Moschee im Abendlicht ergaben. Am  Khazrati-Imam-Komplex beeindruckten vor allem die riesigen uralten Platanen im Innenhof - allerdings fanden sich nicht so die fotogenen Motive. Irgendwas störte immer. Dennoch ein schönes ruhiges Fleckchen. Auf dem Rückweg zum B&B kaufte ich mir noch ein großes kühles Bier und um Sieben gab es Abendbrot. Der Sohn des Großvaters, der eigentlich Touren in das Hissargebirge und in umliegende Dörfer organisiert und führt, gesellte sich zu mir zum Abendbrot auf dem Tagesbett. Es gab wieder die große Platte mit den Knabbereien, Brot, Obst, Plov Salat, geriebene Möhren und sauer eingelegtes Gemüse - alles viel zu üppig. Der Hausherr erzählte mir beim Essen freimütig von einem unmöglichen deutschen Pärchen, das bei im im Mai zu Besuch war und gegen jede Form der Gastfreundschaft verstoßen hatte - vor allem die Frau mittleren Alters. Zu guter letzt hatten sie sich nicht entblödet, noch eine schlechte Referenz im Gästebuch zu hinterlassen. Und er erzählte noch von einem abgebrannten Franzosen, der kein Zimmer wollte - aber gern umsonst im Hof schlafen wollte. Der Großvater war so lieb, ihn trotzdem voll zu beköstigen. Ich war erstaunt über so viel Offenheit - eigentlich gut, das so erzählt zu bekommen Das Gästebuch ist sehr interessant. Eine ganze Reihe der Einträge kommt von Radreisenden - einige waren mit dem Liegerad hier, was ich mir bei den hiesigen Straßenverhältnissen schwer vorstellen kann (weil man da wahrscheinlich nicht so gut auf Boden und Schlaglöcher sehen kann). Ich hab mir ein paar blogadressen abgeschrieben, um mal andere Reiseerfahrungen lesen zu können. Gegen 21 Uhr legte ich mich schlafen und war erst gegen 7.30 Uhr wieder richtig wach - mit heftigem Durchfall. Trotzdem ließ ich mir das üppige Frühstück schmecken, das freilich fast durchmarschierte: Brot, Marmelade, Käse, Spiegelei, Kaffee und sogar ein Stück Torte. Kirschen und Äpfel dazu ... - einfach perfekt. Und es war schön zu sehen, wie der Großvater gemächlich die Speisen servierte - mit seiner Freundlichkeit.
Nach dem Frühstück lief ich noch einmal zum Palast, um das alte Stück Mauer hinter dem Palast und weiter zum Museum, das nicht wirklich sehenswert war - auch wenn es ein paar alte, kleine Fundstücke aus dem 7. Jahrhundert gab. Sonst nur Scherben, Keramik und den üblichen Kram. Interessant zu sehen war dann das riesige Puzzle in einem der Gebäude, wo eine Französin mit Einheimischen zusammen das 100qm große Becken eines Pool des Palastes zusammenbastelt. Kleine Fragmente werden in Ton gebettet (oder was das für eine Pampe ist) und in einem anderen Raum wurde die Oberfläche der Keramiken mit einer stinkenden Lösung gereinigt. Überall stehen große nummerierte flache Kisten, in denen je 1/2qm zusammengestückelt ist.

Jetzt sitze ich im Café Aquarium und blicke auf die Strasse vor mir, auf der jede Menge Microbusse unterwegs sind, ein paar Fußgänger und lokale Reisegruppen - aber auch eine Reisegruppe aus Europa mit Mindestalter 65.



Danach bin ich zum Ruhen ins Hotel. Es gab Brot und Tee und ich schlief eine längere Zeit in meinem Zimmer. Dann bin ich wieder zum Palast gelaufen, durfte für ein kleines Bestechungsgeld den Pylon besteigen - von dem die Berge heute leider nicht so schön sichtbar waren wie gestern. Dann durch verwinkelte Gassen zum Zirkus, wo ich eine Weile zusah - weniger wegen der Kunststücke als um die Zuschauer zu betrachten. Ja und dann wieder in die Moschee, wo ich lange im Mausoleum sass und dann noch einmal zum Mausoleum von Timurs Sohn Jahangir spazierte. Nun bin ich wieder im B&B und der Rücken tut weh vom vielen Stehen und Laufen ...